FmArchive > InterviewPostPhonotaktik ${ Edit }}+-C67
Im Rahmen des Wiener Elektronik-Musik-Festivals "Phonotaktik" gaben Farmers Manual vor drei Jahren ihr Live-Debut: Sythetische Sounds, elektronische Loops mit verqueren Anleihen aus dem Elektro- und Ambientbereich mündeten auf ihrer CD "Fsck" in einem eigenwilligen Drum´n Bass.
Wenn in ehemaligen Motorradwerkstände im 5.Wiener Gemeindebezirk die Geräusche ihrer Macintoshs zusammenlaufen, merkt man, daß ihre Musik auf keinem Dancefloor dieser Welt zu Hause möchte. Seitdem Oswald Berthold, Gert Brantner und Mathias Gmachl ihre ersten Demotapes an "Mego" geschickt haben, sind sie fixer Bestandteil im Künstler-Pool des Wiener New Electronic-Labels. Ihre Releases "FM" und "No Backup", CD-Rom-Track inklusive, sind mittlerweile vergriffen. Auch international nimmt das Interesse an den Multimedia-Formation ständig zu. Vor kurzem tourten sie in England mit DJ Martin Gore von Depeche Mode im Vorprogramm, der Farmers Manual dem renommierten englischen Label Mute wärmstens empfohlen haben soll. Die eigens gestaltete Homepage von Farmers Manual folgt mit ihrem Web-Design dem Grundsatz ihrer Musikproduktion - "Subject it all to test".
Die Musik von Farmers Manual entsteht fast auschließlich am Computer, d.h. die Sounds werden digital erzeugt und gesichert. Anschließend wird das file auf CD gebrannt und ein neuer FM-release ist entstanden.
Wir nutzen den Computer, um möglichst viel Output nach selbstdefinierten Regeln zu produzieren. Beim Auswahlprozeß analysieren wir die eigenen Entscheidungen, um in weiterer Folge den Computer seine eigenen Entscheidungen ausführen zu lassen. Datenbanken und Computerprogramme starten die Musik, ohne daß wir vorher Soundsamples hin- und herschieben oder editieren. Wenn wir mit dem Output nicht zufrieden sind, verfeinern wir einfach die Regeln. Die Basis unseres Produktionsprozesses aber bleibt der Automationsgedanke.
Farmers Manual ist derzeit auch ein international gefragter Live-Act. Ist der Transfer von Studioequipment nicht extrem aufwendig?
Früher haben wir uns noch mit großen Computern, Synthesizer, Mischpult und Effektgeräten abgemüht. Bis wir draufgekommen sind, daß das Zeug nur schwer und alt ist, einfach Jurassic Technology. Derzeit reisen wir mit nur drei Notebooks im Gepäck. Seit ungefähr zwei Jahren ist es möglich, sich nur mit einer mouse und einem keyboard am Computer ein Instrument zu bauen. Wenn wir live spielen, beeinflußen wir den musikalischen Erzeugungsprozeß händisch, manchmal aber auch gar nicht. Wir starten dann nur unsere Laptops und lassen sie für uns arbeiten. Theorethisch könnten wir auch nur die Computer zu einem Konzert schicken.
Warum spielt Farmers Manual dann noch live?
Weil wir nur bei Live-Auftritten wirklich zusammen Musik machen. Sonst arbeitet jedes Mitglied für sich. Erst live treffen dann die einzelnen Laptops aufeinander. Wir verwenden die selben Programme. Jeder macht was, hört die anderen und entscheidet daraufhin, wie er reagiert. Oft weiß der einzelne gar nicht, wofür er im Sound verantwortlich ist. Wenn man glaubt herausgefunden zu haben, wer man in dem ganzen Ding ist, ist alles schon wieder ganz anders. Oder man freut sich über einen gelungenen Sound und kommt drauf, daß die eigene Lautstärke auf Null gedreht ist. Das sind so die üblichen Sachen. Es gibt keine Absprachen und alles ist improvisiert. Wir kennen das musikalische Ergebnis genausowenig, wie die Leute im Publikum.
Nach welchen Kriterien funktioniert dann soetwas wie Selbstkritik, wenn man die meisten Entscheidungen dem Computer überläßt?
Unsere Musik hat keine Referenz. Sie ist nicht richtig oder falsch, weil wir sie vor dem Auftritt in der jeweiligen Form noch nie gehört haben. Es geht mehr darum, neues zu entwickeln. Für uns nützt sich alles schnell ab. Dann kommt eine neue Idee und eine neues Computerprogramm und die Voraussetzungen ändern sich wieder. Insofern ist Farmers Manual ständig in Bewegung. Der Umgang mit der Technik ist unsere eigentliche Inspiration.
Alle FM releases sind auf Eurer Homepage über realaudio zu hören. Auch der Verkauf der meisten FM-CDs erfolgt über das Mailordersystem M.DOS von Mego.
Der früher notwendige und heute aufgesetzte Prozeß der Distribution, Produktion und Verwaltung über einen Plattenkonzern wird durch das Netz stark verkürzt. Die großen Konzerne versuchen dieses Problem in den Griff zu bekommen, in dem sie mit Firmen, die im Internet federführend sind , Exklusivverträge abzuschließen. Sie werden es aber nicht verhindern können , daß Musiker auf ihrer Seite Vertrieb, Label und Produktionsfirma in einem sind. Diese direkte Verbindung zum Konsumenten versuchen wir auszunutzen. Sobald ein Track fertig ist, stellen wir ihn on-line.
Farmers Manual ist ein Multimedia-Experiment, das seit seinem Bestehen konsquent weiterentwickelt wird. Musik und Web Design sind Nachbarn auf dem Computer. Auf www.farmersmanual.co.at findet man unter die Realaudio live.fm, eine Art Radioshow. Da werden jeden Freitag mehrere Stunden experimenteller Sound geschaffen, speziell für die Übertragung via Internet.
Dafür versuchen wir als Host interessante Leute zu finden, um sie dann zu featuren. Da spielen wir nie unsere eigene Musik. Höchstens dann , wenn wir wo live spielen, versuchen wir das Konzert nachzutragen und gleich von vor Ort ins Netz zu streamen. In Lyon z.B. war unser Auftritt als reiner Netzevent konzepiert, der live über Realaudio gebroadcastet wurde. Wir sind auch für live.vbs, der Live-Netz-Übertragung aus dem Wiener Club Flex, zuständig. Vor dort wird täglich ab 23 Uhr gesendet.
Der Gedanken, den user über den aktuellen Status von Farmers Manual zu informieren, wird mit eurer Homepage auch auf visueller Ebene verfolgt. Bis vorkurzem, hattet ihr eine Webcam im Studio installiert, die das was in Eurem Studio passierte, live ins Internet abbildete.
Die Webcam gibt es zwar noch, aber derzeit ist im Netz ist nur ein Standbild zu sehen. Wir haben damit aufgehört, weil das zu viele Leute im Netz mitverfolgt haben, was enorm hohe Kosten verursacht hat. Nach dem die Webcam drei Monate im Betrieb war, haben wir eine Rechnung über 40.000 Schilling bekommen. Und da wir unser eigener Server sind und nur die Netzverbindung zur Verfügung gestellt bekommen, mußten wir den von uns verursachten Internetverkehr selbst begleichen.
Auf eurer Homepage gibt es auch einen Chatroom. Man denkt, da könnte sich der user nach längerem Herumnavigieren auf der eher kryptisch gehaltenen FM-Page, endlich Antworten über das Farmers Manual Universum verschaffen. Aber weit gefehlt.
Den Chatroom wir als eine Art Multitelefonverbindung für die Farmers Manual Mitglieder und jene, die unserem Umfeld arbeiten. So können wir untereinander in Verbindung treten und uns gegenseitig weiterhelfen, wenn gerade einer von uns nicht vor Ort ist. Es gibt auch ein link von der live.vbs Seite zu unserer Homepage. Von dort kommen immer öfter Leute, die eigentlich in unser kleines Privatreich vor stossen und sich über unsere Kommunikation wundern. Der Chat soll nicht die Hilfefunktion auf unserer Hompage sein. Ehrlich gesagt, schätzen wir den redaktionellen Teil auf unserer Homepage nicht wahnsinnig. Es ist nicht unser Ding, über uns selbst dahinzulabbern. Die user müssen sich die message selbst zusammentragen. Wir wollen niemanden Information aufdrängen.
Abgesehen von lokalen Verbindungen zwischen Farmers Manual und den Wiener New-Electronic-Labels wie Mego, Sabotage, etc., gibt es internationale Kontakte zu Gleichgesinnten, mit denen ihr Know-How austauscht?
Das australische Label „mindflux`` sind mit uns vergleichbar. Sie arbeiten, wie auch wir, hauptsächlich am Computer und machen Musik. Wir lernen immer mehr Leute über das Netz kennen , aber auch bei Live-Auftritten. Unlängst haben wir die Mitglieder von „Autechre`` kennengelernt, die über Realaudio-Möglichkeiten im Netz nicht besonders informiert waren. So weckt man auch Interesse und schafft es, Leute zu animieren und sich an Projekten zu beteiligen.
Wo liegt eure zukünftigen Präferenzen im Webdesign?
Derzeit arbeiten wir an einer neuen Version der FM-Page und daraus könnte sich ein interressantes Experiment ergeben. Wir werden beginnen mit Datenbankenlösungen zu arbeiten. D.h. Wir werden einen Pool von Inhalten festlegen und selbstdefinierte Gesetzmäßigkeiten aufstellen. So können Textschnippsel, hunderte Images und Sounds auf der Internetseite vom user neu kombiniert werden. Die Fragestellung könnte lauten: Was erkennt man als zusammenhängenden schlüssigen Inhalt und wie kann dieser wieder auseinanderbrechen?
"Subject it all to test" ist ein Leitsatz von Farmers Manual. Ihr seid Teil einer Generation, die mehr den Computer arbeiten läßt und zusehends weniger selbst in den automatisierten Arbeitsprozeß einzugreifen möchtet.
Ob im Graphik- oder im Musikbereich liegt die Unterstützung, die der Computer bei der Arbeit liefert, weit unter seinem Potential. Wenn wir z.b. eine schwarzweißes Linienmuster für unsere Homepage designen wollen, fordern wir den Computer auf 10 Images mit Zufallsneigungen dieser Linie zu errechnen. Dann suchen wir uns die aus, die uns am bestengefällt. Wenn man nun den Computer beibringen kann, dann noch den Auswahlprozeß selbst zu machen, ist das ideal und wir können uns in der Zwischenzeit um andere Dinge kümmern. Wenn man am Computer arbeitet ist er in meisten Fällen zu 0, 7 % ausgelastet, vielleicht eine Minute mal zu 50% und die restlichen 24 Stunden wieder zu 0, 7 %. So entsteht eine große Leerlaufzeit. Aus diesem Grund ist auch die Idee des RSA-Key-Crackingbewerbs entstanden, wo tausende Rechner im Internet in ihrer Freitzeit irgendwelche Schlüssel knacken. Anstelle Schlüssel zu knacken, könnte der Computer auch Zufallsgraphiken, -musik oder -videos erstellen.
Interview with: Mathias Gmachl
Interviewer: ?
Date: /?/96\
Revision r1.1 - 05 Jul 2005 - 13:17 - TWikiGuest
| Attach | More\
(mailto:admin@web.fm?subject=TWiki%20Feedback%20on%20Fmext.InterviewPostPhonotaktik)